Zachäus-Appell

Finanz- und Schulden-Krise, Klimawandel, Artensterben, Ungleichheit und vieles mehr bedrohen (Über-)Leben und Zusammenhalt der Menschheit. Die Corona-Krise verschärft die vorhandenen Verteilungskämpfe. Dies wird zunehmend erkannt, und eine wachsende Anzahl von Menschen realisiert, dass wir diese Krisen nur gemeinsam bewältigen können. Dies ist umso nötiger, da arme Länder ungleich härter von diesen Krisen getroffen werden und zugleich im Vergleich zu reichen Ländern weniger Mittel haben, mit diesen umgehen zu können.

Zudem wird zunehmend erkannt, dass der ungleich verteilte Reichtum in dieser Welt auch auf ungerechten Strukturen beruht, die sich seit der Kolonialzeit entwickelt und Ausbeutung und Unterdrückung bis heute verfestigt haben. Hierzu passt die biblische Figur des sich selbst bereichernden Zöllners Zachäus, der sich in einem Moment der Erkenntnis und Umkehr entschloss: „Die Hälfte meines Vermögens will ich den Armen geben, und wenn ich von jemand zu viel gefordert habe, gebe ich ihm das Vierfache zurück“ (Lukas 19,8).

Freilich: Wir können hinsichtlich der Lösung heutiger Weltprobleme nicht auf Einsicht, Umkehr und Philanthropie finanzkräftiger Personen, Konzerne und Länder warten, um den notwendigen Wandel anzustoßen. Vielmehr drängt die Zeit, und die Kosten für die Bewältigung der Krisen und ein sozial-ökologisches Umsteuern fallen schon jetzt an. Deshalb möchten wir uns hiermit der weltweiten Zachäus-Kampagne für Steuergerechtigkeit1 der ökumenischen Initiative New International Financial and Economic Architecture (NIFEA) anschließen und wenden uns in Anlehnung an deren Kampagnen- und Aktionsplan an die Bundesregierung und die Europäische Union:

  • Wir fordern Schuldenerlasse, um Staaten im globalen Süden bei der Bewältigung akuter Krisen, darunter v.a. die Corona-Krise und der globale Klimawandel, zu unterstützen.
  • Wir fordern die Einführung einer progressiven Vermögensbesteuerung auf globaler und nationaler Ebene, um der zunehmenden Konzentration des Reichtums in den Händen immer mächtiger werdender Weniger entgegenzuwirken, in Verbindung mit der Erhöhung öffentlicher Ausgaben zur Überwindung von Armut.
  • Wir fordern wirksame Maßnahmen zur Unterbindung von Steuerhinterziehung und Steuervermeidung durch transnationale Unternehmen und reiche Einzelpersonen.
  • Wir fordern nachdrücklich die Einführung von progressiven CO2-Steuern und angemessene Preise für Emissionszertifikate auf allen Ebenen, um unseren Planeten zu schützen. Für sozial benachteiligte Haushalte ist dabei auf eine kostenneutrale Ausgestaltung zu achten.
  • Wir fordern die sofortige Einführung einer Finanztransaktionssteuer auf den Handel mit Aktien, Anleihen, Währungen und Derivaten, um schädlichen spekulativen Aktivitäten an den Finanzmärkten entgegenzuwirken.

Die so erzielten Einnahmen sollten nach unseren Vorstellungen auch zur Finanzierung eines globalen Solidarfonds für soziale und Klimagerechtigkeit unter dem Dach der Vereinten Nationen genutzt werden, der gemäß der globalen sozial-ökologischen Herausforderungen demokratisch, partnerschaftlich, transparent und unter Beteiligung der Zivilgesellschaft über die Mittelverwendung entscheidet.

Damit (auch) Kirchen und ihre Dienste, Werke und Einrichtungen in Deutschland ihrer Verantwortung gerecht werden und mit gutem Beispiel vorangehen, erwarten wir von ihnen kreative und prophetische Lesarten der Zachäusgeschichte (Lukas 19,1-10) und ein konsequent prophetisches Handeln:

  • Wir rufen die Kirchen auf, die Fragen der gerechten Besteuerung und der Wiedergutmachung von Kolonialismus und ökologischen Schulden im Sinne der gemeinsamen Verantwortung für Mensch und Schöpfung wahrzunehmen.
  • Wir ermutigen die Kirchen, sich der Zachäus-Kampagne anzuschließen und sich bei nationalen Regierungen und globalen Finanz- und Wirtschaftsinstitutionen für Steuer- und wiedergutmachende Gerechtigkeit einzusetzen.
  • Schließlich rufen wir die Kirchen auf, ihre eigenen Finanzen im Einklang mit den Zachäus-Prinzipien für eine gerechte Besteuerung und im Sinne einer nachhaltigen und fairen Nutzung von Ressourcen zu verwalten.

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1 Dieser Appell basiert auf der weltweiten, von Ökumenischem Rat der Kirchen, Lutherischem Weltbund, Weltgemeinschaft Reformierter Kirchen und Weltmissionsrat initiierten Zacchaeus Tax Campaign (siehe http://wcrc.ch/zactax).